Wer glaubt, ein Radrennen sei einfach eine Frage von Ausdauer, hat noch nie vom Atlas Mountain Race gehört. Dieses Bikepacking-Rennen führt durch die karge, wilde Schönheit Marokkos – und stellt alles in Frage, was man über Ausrüstung, mentale Stärke und die eigenen Grenzen zu wissen glaubt.
Was ist das Atlas Mountain Race?
Das AMR ist kein gewöhnliches Radrennen. Es ist ein unsupported Bikepacking Abenteuer was bedeutet: keine Hilfe von außen, keine festen Schlafplätze, keine Versorgungsstationen. Alles, was man braucht, muss man entweder am Rad haben oder unterwegs finden. Auf rund 1.300 Kilometern geht es quer durch das marokkanische Atlas- und Anti-Atlas-Gebirge über steinige Pisten, durch Flussbetten, auf abgelegene Hochplateaus und über eiskalte Gebirgspässe. Der Startpunkt ist meist Marrakesch oder Agadir (2025 Marrakesch), von dort aus führt der GPS-Track tief hinein in Regionen, in denen es manchmal tagelang keine Infrastruktur gibt – außer vielleicht einem kleinen Dorfladen oder einer Herberge in einem Berberdorf.

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Was das Rennen so besonders macht
Es sind nicht nur die Kilometer oder die Höhenmeter (über 21.000 HM), die dieses Rennen einzigartig machen. Es ist die Mischung aus Landschaft, Einsamkeit und Unberechenbarkeit. Man schläft im Biwak unter klarem Sternenhimmel oder friert bei Minusgraden auf einem windigen Pass. Man erlebt Gastfreundschaft in abgelegenen Dörfern und fährt Stunden durch Mondlandschaften, ohne einer Menschenseele zu begegnen.
Temperaturen wechseln von brütender Hitze in den Tälern bis zu Schnee auf den Pässen. Der Untergrund variiert von glattem Asphalt bis zu Geröllfeldern, auf denen das Fahrrad getragen werden muss. Jede Entscheidung zählt: Welche Ausrüstung nehme ich mit? Wo tanke ich Wasser auf? Wann und wie lange schlafe ich?
Ein Rennen gegen sich selbst
Beim Atlas Mountain Race gewinnt nicht unbedingt, wer als Erster im Ziel ist. Gewinnen tut, wer durchhält. Wer lernt, mit sich selbst und den Umständen klarzukommen. Wer morgens um 5 Uhr mit steifen Fingern in den Sattel steigt und abends gegen den Gegenwind antritt. Wer sich nicht unterkriegen lässt, wenn das GPS aussetzt, der Reifen platzt oder der nächste Laden doch geschlossen hat. Es ist ein Rennen, das die mentale Stärke genauso fordert wie die körperliche. Und es ist eine Reise durch ein faszinierendes Land, durch beeindruckende Landschaften und letztlich zu sich selbst.
Das Atlas Mountain Race ist nichts für Einsteiger. Aber für alle, die die Kombination aus Abenteuer, Selbstständigkeit und sportlicher Herausforderung suchen, ist es eine Erfahrung fürs Leben. Wer einmal mit seinem Rad durch das Staubmeer des Anti-Atlas gefahren ist, mit der Sonne im Rücken und einem unendlichen Horizont vor sich, der weiß: Es geht nicht ums Gewinnen. Es geht ums Ankommen. Und ums Weiterfahren.


2025 habe ich am Atlas Mountain Race teilgenommen und gefinisht. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Um ehrlich zu sein, gar nicht so viel anders als meine bisherigen Touren, aber dann doch wieder irgendwie etwas völlig anderes. Meine bisherigen Touren hatten den Fokus, die Natur zu entdecken. Auf einsamen Singletrails und Pfaden unterwegs zu sein. Zeit spielte dabei nur eine Nebenrolle. Beim AMR ist es aber anders. Dort steht die Zeit, dass Vorrankommen im Fokus. Bist du zu langsam, frisst dich die Schnecke. Ja, richtig gelesen, die Schnecke. Beim AMR hat man eine Deadline, bis wann man die Checkpoints erreicht haben muss. Ebenso gibt es eine Deadline für das finishen. Bist du zu langsam, bist du raus. Disqualifiziert. Auch ist das AMR als ein unsupported (nicht unterstützest) Rennen. Dies bedeutet wirklich „ohne Unterstützung“. Du musst das Rennen komplett aus eigener Kraft absolvieren. Nur mit deiner eigenen Ausrüstung und ohne fremde Hilfe. Wenn es schwierig wird, musst du dir selber helfen, wenn etwas kaputt geht, musst du es selbst repariert und wenn du dich verirrt hast, musst du alleine den richtigen Weg wiederfinden. Es gibt ein ganzes Regelwerk rund um das Rennen, damit es fair abläuft und jeder weiß was erlaubt ist und was nicht.

Die Strecke im Überblick
Das Atlas Mountain Race 2025 bleibt seinem Ruf treu: Es ist hart, spektakulär und verlangt den Fahrer:innen alles ab. Körperlich, mental und logistisch. Die Route führt auf über 1300 Kilometern durch die entlegensten Gegenden Marokkos, über den Hohen Atlas und Anti-Atlas bis zur Atlantikküste. Dabei wechseln sich Schotterpisten, steile Anstiege, ruppige Abfahrten und einsame Dörfer ab. Alles eingebettet in eine atemberaubende Landschaft.
Start in Marrakesch
Das Rennen begann in Marrakesch, wo eine kurze Polizeieskorte uns durch den Stadtverkehr führte. Kaum aus der Stadt heraus, ging es über mehrere Anstiege direkt in die Berge. Die Überquerung des Hohen Atlas erfolgte größtenteils auf Pisten, wobei die Abfahrt über einen alten Maultierpfad mit größeren Felsblöcken und Schiebepassagen technisch fordernd war.
Checkpoint 1 in Telouet
Im Dorf Telouet wartete der erste Checkpoint. Hier zeugt die halb verfallene Kasbah der einst mächtigen Glaoui-Familie von der kolonialen Vergangenheit der Region. Kurz vor 5 Uhr morgens erreichte ich den Checkpoint. Viel Zeit verbrachte ich hier aber nicht. Stempel abholen, etwas zu trinken kaufen, schnell noch einen Müsliriegel reinschieben und dann weiter.
Weiter Richtung Süden
Nach einem kurzen Asphaltabschnitt führte die Strecke vorbei an Lehmdörfern und dem Solarkraftwerk von Ouarzazate, was ich im dunkeln aber nicht wirklich sehen konnte. Die erste "Nacht" verbrachte ich irgendwo in den Bergen. Wobei von Nacht hier nicht wirklich gesprochen werden kann. Gegen 7 Uhr morgens baute ich mein "Nachtlager" einfach 100m neben der Piste auf. 2 Stunden später sahs ich schon wieder auf dem Fahrrad und fuhr weiter. In Imassine bestand die letzte Möglichkeit zur Versorgung, bevor es tief in die Wildnis des Anti-Atlas ging. Ich machte kurz Halt und kaufte mir etwas zu trinken. Es folgte eine Flussquerung, steile Pisten und ein historisches Kolonialplateau, das sehr fordernd war. Doch der Ausblick machte die Mühen wett.


Etappe nach Taznakht
Nach einer langen Etappe durch die Berge mit viel nichts, erreicht man eine der größeren Städte auf der Route Taznakht. Dort fand man alles, was man für eine anständige Erholung nötig ist. Wasser, Softdrinks und Restaurants. Aber ich sollte zuvor einen wirklich dummen Fehler machen. Einige Kilometer (ca. 90km) vor der Stadt, als ich gegen 22 Uhr in einem kleinen Restaurant eine schnelle Pause machte, lies ich mein Portmonee mit allem (Kreditkarte, Bargeld, Checkpoint-Karte und Ausweis) auf einem Tisch liegen. Dies fiel mir aber erst nach knapp 40Km auf. Mist, was mache ich jetzt? Fährst du die 40Km auf einer staubigen und ruppigen Piste wieder zurück? Oder meldest du dies der Rennleitung und hoffst, dass ein anderer Rennteilnehmer es an sich genommen hat und zum nächsten Checkpoint bringt? Denn es machten mehrere andere Teilnehmer auch in diesem Restaurant eine Pause. Natürlich hatte ich keinen Empfang. Mittlerweile war es schon 1 Uhr in der Nacht. Ich entschloss noch weiterzufahren und sobald ich empfang habe die Rennleitung über meine Situation zu informieren. Als ich dann Empfang hatte, schrieb ich der Rennleitung, die dann eine Meldung über die Raceapp an alle Teilnehmer gab, wenn einer der Teilnehmer/-innen es findet, es bitte mit zum nächsten Checkpoint (in diesem Fall Nr.2) bringt. Ich fuhr noch bis ca. 3 Uhr weiter und legte mich dann bis 6 Uhr schlafen. Da ich an meinem Schlafplatz keinen empfang hatte, entschied ich weiter zufahren und sobald ich Empfang habe nachzuschauen ob sich jemand bezüglich meines Portmonees gemeldet hat. Ich überholte ein paar andere Teilnehmer/-innen. Auch ein Paar (man darf auch als Paar teilnehmen), dass ihre Räder schob. Ich fragte kurz ob alles ok sein. Als sie mir sagten ja alles ok, fuhr ich weiter. Als ich dann endlich Empfang hatte, konnte ich mit großer Freude lesen, dass ein Teilnehmer mit der Cap Nummer XXX (ich weiß die Nr. leider nicht mehr) es an sich genommen hat und es zum nächsten Checkpoint bringt. Als ich die Nummer lass, sah ich, dass es sich um ein Paar handelte. Ich schaute schnell in das Livtracking und stellte fest, MIST! Das ist das Paar das ich vor knapp 20Km überholt hatte. Was nun? Weiterfahren zum nächsten Checkpoint und warten bis sie ankommen? Denn ohne meine Papiere und Geld brauche ich nicht weiterfahren. Kein Geld = kein Trinken und Essen. Oder, hier auf sie warten? Sie waren an schieben und die Strecke war taff. Das könnte ganz schön dauern. Nach kurzen abwägen meiner Optionen endschied ich mich dann umzudrehen und auf sie zu zu fahren. Unterwegs sahen mich einige Teilnehmer/-innen verdutzt an und riefen mir zu "Hey, das ist die falsche Richtung" . Ich antwortete ihnen mit "Ja ich weiß. Habe was vergessen". Ich fuhr knapp 8km zurück bis es steil bergauf ging. Hier wartete ich nun auf sie, denn ich dachte mir, bergab sind sie deutlich schneller als ich bergauf. Außerdem muss ich auch Energie sparen, denn es liegt ja noch einiges vor mir. Also wartete ich knapp 1 Stunde. Ständig den Livetracker im Blick. Als sie bei mir ankamen, unterhielten wir uns kurz. Sie mussten schieben, da einer von ihnen leider einen defekt an der Hinterradnabe hatte und somit nicht mehr fahren konnte. Aber mein Portmonee hatten sie leider nicht mehr! Aufgrund des defektes, gaben sie mein Portmonee einem anderen Teilnehmer mit. Leider wussten sie aber seine Cap Nummer nicht. F**K! Ok. Ich bedankte mich bei ihnen und wünschte ihnen viel Glück und alles gute, dass sie den Defekt vielleicht noch beheben können. Sie konnten später, tatsächlich das Fahrrad wieder fahrtauglich machen und das Rennen fortsetzten.
Also fuhr ich weiter. So schnell wie möglich um die verlorene Zeit irgendwie wieder reinzuholen.

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Checkpoint 2 in Aguinane
Endlich erreichte ich Checkpoint 2 in Auginane. Eine Mitarbeiterin der Raceleitung die sich an CP2 befand empfing mich mit den Worten "Na, hast du was vergessen?". "Ja" antwortete ich ihr. Sie übergab mir mein Portmonee. "Warum hast du eine CP Karte von einem anderen Teilnehmer?" fragte sie mich. Ich erklärte ihr, dass ich ca. 15Km hinter CP1 die Karte auf dem Weg gefunden hatte und dies umgehend der Raceleitung gemeldet hatte. Diese wies mich an, diese zu CP2 zu bringen und dort abzugeben. "Eine Hand wäscht die andere. Drinnen sitzt noch der Teilnehmer der deine Karte mitgenommen hat, falls du dich bedanken möchtest" sagte sie zu mir einem Lächeln. Ich ging rein und ging zu ihm um mich zu bedanken. Als ich sah das es einer war, von denen die an mir vorbei gefahren sind als ich umgedreht hatte und er mich auch wiedererkannte mussten wir beide lachen. "Hätte ich gewusst das du es bist" sagte er zu mir und ich erwiederte das gleiche zu ihm. Ich machte eine ausgiebige Pause und bestellte mir etwas zu essen und zu trinken. Nach der Pause ging es dann die steile Abfahrt nach Asseraragh entlang. sie ist technisch fordernd, aber spektakulär.

Rauer Süden – schwierige Strecken, große Eindrücke
Hinter Asseraragh wird die Strecke nochmals einsamer und schwieriger. Verfallene Kolonialpisten, wenig Versorgung und anstrengende Passagen verlangen viel Planung. Zwischen Tagmout und Issafen wartete ein Highlight: eine alte, teils zerstörte Kolonialstraße.
Checkpoint 3 in Tafraoute
Die Route führte weiter durch das Palmental von Ait Mansour bis nach Tafraoute, wo der dritte Checkpoint eingerichtet war. Dort machte ich eine ausgiebige Pause und bestellte mir etwas zu essen. Danach ging es über längere Asphaltabschnitte. Diese waren aber deswegen nicht unbedingt einfacher zu fahren. Es ging ziemlich steil rauf und runter. Nach einiger Zeit bog man dann aber wieder ab und war wieder auf teils ganz schon rauen Pisten unterwegs. Außerdem wartete noch ein weiteres Highlight. Eine ca. 20km lange Wüsten Durchquerung. Sand, Sand und Sand. Es war echt nicht leicht voran zu kommen. Hier musste ich mein Rad leider viel schieben.
Ziel in Essaouira
Das Ziel des AMR25 lag in Essaouria direkt an der Atlantikküste. Meine Zeit: 6 Tage 22 Stunden und 35 Minuten. Gar nicht mal so schlecht wie ich finde.
Etappenübersicht
Marrakesch → Telouet: 126 km / 3.120 hm
Telouet → Asseraragh: 437 km / 5.620 hm
Asseraragh → Tafraoute: 311 km / 4.330 hm
Tafraoute → Essaouira: 425 km / 7.200 hm


Nutzungsbedingungen: Wie bei jeder auf unserer Webseite veröffentlichten Bikepacking-Routenführung erfolgt die Nutzung dieser Route auf eigene Verantwortung. Informiere dich vor der Abreise über das aktuelle Wetter, die Bedingungen vor Ort sowie über Land- und Straßensperrungen. Beachte während der Fahrt alle Beschränkungen und Regeln zur öffentlichen und privaten Landnutzung, führe geeignete Sicherheits- und Navigationsausrüstung mit und befolge natürlich die #leavenotrace-Richtlinien . Die hier enthaltenen Informationen dienen lediglich als Planungshilfe und sollen dir neben deiner eigenen Sorgfaltspflicht als Inspirationsquelle dienen. Obwohl diese Route, der zugehörige GPS-Track (GPX und Karten) sowie alle Routenrichtlinien von mir sorgfältig recherchiert wurden, kann für deren Richtigkeit keine Gewähr übernommen werden. Die Podtschis haften in keiner Weise für Personenschäden, Sachschäden oder sonstige Situationen, die einzelnen Fahrerinnen und Fahrern auf dieser Route widerfahren können.