
Die Ruta de los Seis Miles ist mehr als nur eine Radroute – sie ist eine extreme Herausforderung mitten in der eindrucksvollen Leere der Puna, einer der trockensten Hochgebirgsregionen der Welt. Auf 1.476 Kilometern und über 19 Tagen führt sie durch die zentrale Andenlandschaft Argentiniens, vorbei an schillernden Salzebenen, surreal gefärbten Lagunen und gewaltigen Vulkanriesen, von denen einige zu den höchsten der Erde zählen. Wer sich ihr stellt, taucht ein in ein Abenteuer, das Körper und Geist gleichermaßen fordert – und unvergessliche Weite hinterlässt.
Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, der Bikepacker gleichermaßen herausfordert und fasziniert, dann ist es die zentrale Anden-Trockenpuna – ein einzigartiges Hochplateau, das sich wie eine vergessene Welt über 307.000 km² zwischen Nordchile, Nordargentinien und Südwestbolivien erstreckt. Eingebettet in die Atacama-Wüste, eine der trockensten Regionen der Erde, liegt dieses gewaltige Terrain auf Höhen zwischen 3.500 und 5.000 Metern. Hier, wo der Himmel klarer, die Luft dünner und die Stille absolut ist, verlaufen alte Bergbaurouten und verlassene Pisten wie Narben durch die Landschaft. In den schneefreien Sommermonaten wird das Gebiet zur Bühne für einige der entlegensten und spektakulärsten Bikepacking-Abenteuer der Welt.
Kein Schatten, kaum Wasser, extreme Isolation – doch wer sich auf diese surreale Wüstenwelt einlässt, wird mit einem der eindrucksvollsten Erlebnisse belohnt, die Bikepacking zu bieten hat.
Die Ruta de los Seis Miles ist eine 1.476 Kilometer lange Hochgebirgsroute, die die Wüstenstädte San Pedro de Atacama (Chile), Fiambalá (Argentinien) und Guandacol (Argentinien) miteinander verbindet. Sie führt durch äußerst abgelegene Regionen der zentralen Anden und verlangt eine sorgfältige Planung sowie ein hohes Maß an Selbstversorgung. Die Strecke kann in etwa 19 Fahrtagen bewältigt werden, wobei es auf weiten Abschnitten keinerlei Versorgungsmöglichkeiten gibt. Reisende müssen daher in der Lage sein, Verpflegung für bis zu 12 Tage, Kochbrennstoff sowie mindestens 10 Liter Wasser gleichzeitig mitzuführen. Die Herausforderungen der Route ergeben sich aus der Kombination extremer Bedingungen: lange, stetige Anstiege in großer Höhe, häufig starker Gegenwind (bis zu 100Km/h), große Temperaturschwankungen und das Gewicht der mitgeführten Ausrüstung machen diese Tour zu einer der anspruchsvollsten auf der ganzen Welt!
Trotz – oder gerade wegen – dieser Anforderungen gilt die Ruta de los Seis Miles als eine der spektakulärsten Bikepacking-Routen weltweit.


Wer die Ruta de los Seis Miles befahren möchte, sollte nicht nur körperlich, sondern auch klimatisch gut vorbereitet sein – denn die beste Reisezeit ist eng begrenzt.
Die idealen Monate liegen im südamerikanischen Sommer, also zwischen Anfang November und Ende März. In diesem Zeitraum sind die Temperaturen vergleichsweise angenehm: tagsüber oft über 15 °C, nachts jedoch teils deutlich unter dem Gefrierpunkt. Der meiste Schnee in den Hochlagen ist dann geschmolzen, und die hoch gelegenen Pässe – viele davon auf über 4.500 Metern – sind in der Regel schneefrei und passierbar.
Doch Achtung: Ab Mitte Januar beginnt die sogenannte "Temporada de Lluvias", die Regenzeit, die besonders die Täler nördlich von Fiambalá betrifft. Starke Gewitter und plötzliche Niederschläge können dort Straßen in reißende Bäche verwandeln, Erdrutsche auslösen und selbst einfache Flussdurchquerungen – wie zwischen Las Papas und Punta de Agua – unmöglich machen. Wer die Route in diesem engen Zeitfenster plant, bewegt sich im besten Fall durch eine wild-schöne, gnadenlose Hochgebirgswüste – im schlimmsten Fall aber durch eine unpassierbare Zone mit hohem Risiko. Präzise Planung und ein wachsames Auge auf lokale Wetterdaten sind daher unverzichtbar.



Mitte November 2024 habe ich mich auf eines der ambitioniertesten Bikepacking-Abenteuer Südamerikas eingelassen: die Ruta de los Seis Miles. Schon zu Beginn wich ich von der klassischen Route ab. Anstatt direkt nach San Pedro de Atacama zu fahren, nahm ich einen lohnenswerten Umweg über den spektakulären Vulkan El Tatio – bekannt für eines der größten Geysirfelder der Welt – und rollte erst dann nach San Pedro ein, dem offiziellen Startpunkt der Seis-Miles-Route. Eigentlich sollte es über den historischen Paso Socompa gehen. Doch der Grenzübergang ist seit 2022 geschlossen, und auch der Paso Sico ist nach wie vor nur für LKWs passierbar. Also wich ich über den einzigen offenstehenden Grenzpass aus – den Paso Jama.
Diese Strecke hat es in sich: Auf nur 170 Kilometern klettert man etwa 3.300 Höhenmeter hinauf. Die Luft wird dünner, die Temperaturen rauer. Der Grenzübertritt selbst jedoch war unkompliziert – die Beamten freundlich, der Andenwind eisig. Nach dem Pass führt die Route über mehr als 300 Kilometer durch eine surreal anmutende Hochwüste. Highlights wie die Salar de Cauchari, die zweitgrößte Salzebene Argentiniens, oder die knallrote Desierto del Diablo mit ihren skurrilen Gesteinsformationen machen diesen Abschnitt landschaftlich atemberaubend. In Tolar Grande, einer ehemaligen Bergbausiedlung, trifft man auf die letzte dauerhafte Siedlung vor einer 600-Kilometer-Strecke völliger Isolation. Doch Vorsicht: Tolar Grande mag bewohnt sein – Einkaufen ist dort nicht möglich. Es gibt ein Restaurant, ein paar einfache Hospedajes und herzliche Menschen – mehr nicht.


Einer der eindrucksvollsten Orte auf dieser Route ist die Mina La Casualidad – eine auf knapp 4.100 Metern gelegene, komplett verlassene Schwefelmine. In den 1950er-Jahren lebten hier über 3.000 Menschen – heute ist sie eine Geisterstadt mitten im Nichts. Verfallene Wohnhäuser, rostende Industrieanlagen und ein Krankenhaus erinnern an die Blütezeit des Abbaus – und an den schnellen Verfall, als die Mine 1979 plötzlich geschlossen wurde. Die Stille dort ist bedrückend, die Szenerie fast post-apokalyptisch. Nach Tagen auf staubigen, teils sandverwehten Pisten erreichte ich schließlich Fiambalá, eine Oasenstadt am Rande der Anden. Berühmt ist der Ort für seine Thermalquellen, die mitten in den Bergen liegen. Auch gibt es hier endlich wieder Infrastruktur: Supermärkte, Bäckereien, Unterkünfte. Doch lange ausruhen konnte ich nicht – denn ab hier beginnt der südliche Teil der Ruta de los Seis Miles.



Obwohl kürzer, steht der südliche Abschnitt der Ruta de los Seis Miles dem Norden in nichts nach – im Gegenteil: Der Wind ist erbarmungslos. Zwischen Fiambalá und Guandacol peitschte er mir mit bis zu 100 km/h ins Gesicht – von morgens um 8 bis tief in die Nacht. Die Temperaturen pendelten tagsüber um die 13 °C, nachts fiel das Thermometer regelmäßig unter -10 °C.
Doch auch hier belohnt einen die Landschaft mit surrealer Schönheit: Weite Salare, schneebedeckte Vulkane und als besonderes Highlight das Büßereis – schmale, messerscharfe Eisskulpturen, die in dichten Feldern die Landschaft bedecken und fast außerirdisch wirken.
Nach sieben extrem fordernden Tagen erreichte ich Guandacol, das offizielle Ende der Routa de los Seis Miles. Die meisten brauchen dafür rund 27 Tage. Ich habe es in 19 Tagen geschafft – ein persönlicher Triumph.
Aber mein Ziel war noch nicht erreicht...
In Guandacol endet für viele die Reise – für mich war es nur eine Zwischenstation. Mein eigentliches Ziel hieß Mendoza, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und Zentrum des argentinischen Weinanbaus. Die letzten 558 Kilometer waren technisch einfach, landschaftlich abwechslungsreich und – endlich – weniger fordernd. Nach vier weiteren Tagen erreichte ich mein Ziel: erschöpft, dankbar, erfüllt.


Die Ruta de los Seis Miles gilt nicht ohne Grund als eine der härtesten Bikepacking-Routen weltweit. Mit einem Schwierigkeitsgrad von 10/10 (laut Bikepacking.com) ist sie eine echte Grenzerfahrung – körperlich wie mental. Die Kombination aus extremem Gepäckgewicht, losem Untergrund und permanenter Höhe über 4.000 Metern fordert selbst gut trainierte Fahrer*innen heraus. Tagesetappen von 50 Kilometern gelten hier nicht als Ausnahme, sondern als realistischer Durchschnitt – besonders bei starkem Gegenwind. Doch die physische Belastung ist nur die eine Seite: Die wahre Herausforderung liegt oft im Kopf. Die Route führt durch eine der einsamsten Regionen Südamerikas – Begegnungen mit anderen Menschen sind selten, die Abstände zwischen den wenigen Süßwasserquellen groß. Wer diese Strecke meistert, hat nicht nur eine gewaltige Leistung vollbracht, sondern auch eine tiefe, intensive Erfahrung mit sich selbst gemacht.
Nutzungsbedingungen: Wie bei jeder auf unserer Webseite veröffentlichten Bikepacking-Routenführung erfolgt die Nutzung dieser Route auf eigene Verantwortung. Informiere dich vor der Abreise über das aktuelle Wetter, die Bedingungen vor Ort sowie über Land- und Straßensperrungen. Beachte während der Fahrt alle Beschränkungen und Regeln zur öffentlichen und privaten Landnutzung, führe geeignete Sicherheits- und Navigationsausrüstung mit und befolge natürlich die #leavenotrace-Richtlinien . Die hier enthaltenen Informationen dienen lediglich als Planungshilfe und sollen dir neben deiner eigenen Sorgfaltspflicht als Inspirationsquelle dienen. Obwohl diese Route, der zugehörige GPS-Track (GPX und Karten) sowie alle Routenrichtlinien von mir sorgfältig recherchiert wurden, kann für deren Richtigkeit keine Gewähr übernommen werden. Die Podtschis haften in keiner Weise für Personenschäden, Sachschäden oder sonstige Situationen, die einzelnen Fahrerinnen und Fahrern auf dieser Route widerfahren können.